Alle Beiträge unter Blog

Schönes Leben

19. Juli 2017
von Philipp Scheffbuch
in

Wir sind klein. Unser Herz ist rein. Aber nehmen wir mal an, schlechtmensch wäre groß. So richtig riesig wie zum Beispiel ein wichtiger deutscher Industriekonzern. Dann würde unser Leben ganz anders funktionieren. Wir würden Millionen Stück an „Fairtrade“-T-Shirts verkaufen. Scheinbar. In Wirklichkeit würden wir jedoch, um Kosten zu sparen, nur billige – unfair hergestellte –  T-Shirts umetikettieren und als fair ausgeben. Wir würden Tag für Tag beteuern, dass wir der beste Händler der Welt sind und auf uns absolut Verlass ist. Premium halt!

Würde dann eine anderer Fairtrade-Händler aus Norddeutschland des Betruges überführt, würden wir empört zu ihm hinüberzeigen und mit aufgerissenen Augen beteuern, bei uns sei alles in Ordnung und wir seien zutiefst angeekelt von den Betrügereien unseres Wettbewerbers.

Wir würden das so lange durchhalten bis bissige Journalisten ortsfremder Medien uns nachweisen, dass wir gemogelt haben. Wenn dann zusätzlich auch noch die Staatsanwaltschaft sich anschickt, gegen uns zu ermitteln und die Stadt Stuttgart droht, bald gar keine Fairtrade-T-Shirts mehr in die Stadt zu lassen, reagieren wir ganz einfach: Wir würden drei Millionen T-Shirt zurückrufen und die Software der T-Shirts verändern.

Die Staatsanwaltschaft würde Kreide fressen, der Ministerpräsident würde uns loben und unsere Kunden würden uns wegen des kostenlosen Rückrufes auf die Schulter klopfen. Das Leben kann wirklich schön sein.

 

Vergessenes Grab: Daimler

18. Februar 2017
von Philipp Scheffbuch
in

Es ist allgemein bekannt: in Stuttgart gibt es einen nicht unbedeutenden Autokonzern, er setzt 153 Milliarden Euro im Jahr um und erwirtschaftet einen Gewinn von 12,5 Milliarden Euro, er verschafft 282.000 Mitarbeitern einen Job und bezahlt seinem Vorstand jährlich 29 Millionen Euro. Der Konzern nennt sich nach dem Familienname des Mannes, der das erste vierrädrige Kraftfahrzeug mit Verbrennungsmotor erfunden hat: Gottlieb Daimler. Gottlieb Daimler lebt nicht mehr, sondern liegt seit 117 Jahren auf dem Uff-Kirchhof in Stuttgart-Bad-Cannstatt.

Zwischen der edlen repräsentativen Daimler-Konzernzentrale in Untertürkheim und dem Uff-Kirchhof in Bad Cannstatt liegen genau 3,2 Kilometer Straße. Mit einem herkömmlichen Pkw benötigt man für die Strecke maximal sieben Minuten, mit einem Mercedes wahrscheinlich nur sechs Minuten. Der Uff-Kirchhof liegt zwischen der Lutherkirche und der Liebfrauenkirche, den vielleicht schönsten beiden Kirchen im gesamten Stuttgarter Stadtgebiet. Auf diesem eindrücklichen Friedhof also befindet sich die letzte Ruhestätte des Mannes, dem sowohl der Vorstand als auch alle Angestellten der heutigen Daimler AG ihren relativen Wohlstand zu verdanken haben. Besucher erwarten – wie an vielen anderen vergleichbaren Orten auch – ein stolzes würdevolles Grab, ein gepflegtes Grab, ein Grab, das Respekt und auch Dankbarkeit zum Ausdruck bringt. Das alles ist hier aber erstaunlicherweise nicht zu sehen.

Es liegt altes Laub zwischen den Bäumchen, davor ein mehrere Wochen altes Gesteck. Ansonsten gibt es keinen Kranz, keine Gedenktafel, nichts. Es ist mehr als zu spüren: der Gründer ist vergessen, hier scheint das börsennotierte Wirtschaftsunternehmen, das sonst auf kostspielige Hochglanz-Werbung setzt, zum knauserigen Erben zu werden. Dabei kostete eine tagtägliche Grabpflege wohl kein Vermögen. Es geht viel eher um die Gewichtung. So steht sehr nahe zu vermuten, dass der Untertürkheimer Autokonzern auf dem Uff-Kirchhof für ein gesamtes Kalenderjahr Grabpflege weit weniger als einen Tagessatz der Vergütung des heutigen Vorstandsvorsitzenden aufwendet. So oder so: Das Grab macht nachdenklich.

Kirchen als Sparfüchse

06. Oktober 2016
von Philipp Scheffbuch
in

„Darum sage ich euch: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr denn Speise? und der Leib mehr denn die Kleidung? Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie?“ Soweit Jesus Christus, überliefert zumindest nach Matthäus 6.

Heute hat das Erzbistum Köln den jährlichen Finanzbericht veröffentlicht. Demnach hortet alleine das Kölner Bistum 2500 Millionen Euro in Wertpapieranlagen. Die Immobilienanlagen werden zusätzlich vorsichtig gerechnet auf 600 Millionen Euro ausgewiesen, dazu kommen Sachanlagen und Umlaufvermögen. Das Bistumskapital, die Rücklagen und die Rückstellungen zusammen – also im Prinzip der der bezifferte Angstfaktor vor der Zukunft – beläuft sich auf 3,2 Milliarden Euro, also sagenhafte 3200 Millionen Euro! Die Münchener und die Paderborner Bistümer sind noch reicher als die Kölner, beziehungsweise – in den Worten Jesu – noch sorgenvoller.

Auch die Protestanten leben alles andere als sorglos in den Tag hinein. Alleine die Evangelische Landeskirche in Württemberg könnte von heute auf morgen 3000 Millionen Euro lockermachen, so viel Geldvermögen besitzt die Landeskirche. Zusätzlich gibt es laut deren Bilanz ein beträchtliches realisierbares Immobilienvermögen. Betrachtet man die Passivseite der Bilanz wird der Reichtum klar: Eigenkapital und die aus Sorge gebildeten Rückstellungen zusammen erreichen 3,8 Milliarden Euro, also sogar mehr als im Bistum Köln. Dringende Verwendung scheint die württembergische Landeskirche momentan nicht für ihr Vermögen zu haben, so wurden mehr als 1100 Millionen Euro in längerfristigen Finanzanlagen geparkt.

Die Kirchen beider Konfessionen argumentieren gerne mit der Vorsorge für schlechtere Zeiten oder noch präziser mit der Notwendigkeit, für die eigenen Bediensteten Pensionsrückstellungen bilden zu müssen. Dabei gibt es nicht wenige Menschen im In- und Ausland, die heute in existenzieller Not sind. An diesen Personenkreis wird in beiden Kirchen nicht selten erinnert, besonders nachdrücklich, wenn es um Opfergaben im Gottesdienst geht.

Zum Vergleich: herkömmliche Wirtschaftsunternehmen stecken ihre Mittel normalerweise in ihr Kerngeschäft und haben nur wenige Mittel übrig, um Finanzanlagen anzuhäufen – es sei denn es handelt sich um deren Kerngeschäft, also um Hedgefonds oder Investmentfirmen.

„Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch.“ Die Leichtigkeit der zitierten Vögel ist bei den Kirchen nicht wirklich zu spüren. Ganz im Gegenteil. Es wäre spannend zu erfahren: woher kommt die ganze Angst?

Hädsch dei Gosch ghalda, hädd di dr Bosch bhalda

27. September 2016
von Philipp Scheffbuch
in

Rund um Stuttgart ist häufig ein schwäbischer Spruch zu hören, den selbstbewusste Bosch-Mitarbeiter seit jeher von sich geben: „Hald dei Gosch, i schaff beim Bosch.“ Bosch war schon immer der Inbegriff der Sicherheit. Spötter in Stuttgart sagen, es gebe keinen Unterschied zwischen einer Beamten- und einer Bosch-Laufbahn.

Bosch gilt in Württemberg als sakrosankt, nicht zuletzt, weil der Gründer Robert Bosch ein Wohltäter war. Heute betreibt die Bosch-Stiftung viel Gutes in Gesundheit, Wissenschaft und Völkerverständigung. Die Bosch-Stiftung verwaltet (sehr schwäbisch vorsichtig gerechnet) eine Milliarde Euro. Für das Unternehmen sind die Aktivitäten der Stiftung alles andere als hinderlich, im Gegenteil: So umhegt die Stiftung junge Akademiker und Journalisten und knüpft früh Bande zu den künftigen Entscheidern und Multiplikatoren, gegen Bosch will niemand sein.

Seit einem Jahr steckt der schwäbische Autozulieferer nun im ungeheuerlichsten Wirtschaftsskandal, den es je in Deutschland gegeben hat: Bosch hat die Schummelsoftware für Volkswagen entwickelt, mit der die Wolfsburger beinahe zwölf Millionen Autokäufer betrogen haben und unzählige nationale Umwelt- und Steuerauflagen missachtet haben. Es gibt laut US-Behörden Belege, dass Bosch-Chef Volkmar Denner schon lange über den Betrug im Bilde war: vor zweieinhalb Jahren soll er sich sogar mit dem damaligen Volkswagen-Chef Martin Winterkorn getroffen haben, um das weitere Vorgehen zu besprechen, weil es Anzeichen gegeben haben soll, dass die Schummelsoftware auffliegt.

Die US-Ankläger rüsten sich inzwischen, gegen Bosch vor Gericht zu ziehen. Während der Dax-Konzern Volkswagen mit den US-Klägern längst einen Vergleich geschlossen hat, versucht das Stuttgarter Stiftungsunternehmen sich wegzuducken. Von Bosch gibt es keine Erklärungen, die auch irgendetwas erklären und schon gar keine Schuldeingeständnisse. Noch viel besser: Bosch weigert sich standhaft, den US-Behörden volle Einsicht in die eigenen Unterlagen zu gewähren.

Gut für Bosch, dass die einstigen Auto-Skeptiker von den hiesigen Grünen die örtlichen Machenschaften so geschmeidig beurteilen wie sonst wohl nur der Bundesverband der deutschen Industrie. So drückte der baden-württembergische grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Falle des größten Abgasskandals der Geschichte unlängst sogar sein Verständnis aus. Kretschmann klang beinahe wie ein Firmensprecher als er vergangene Woche sagte, bei der Aufklärung der Vorwürfe und bei künftigen Vorsorgemaßnahmen habe er „volles Vertrauen“ in den Konzern. Die Dieseltechnologie sei sehr wichtig für Baden-Württemberg, circa 50 000 Arbeitsplätze hingen daran. „Da geht es schon um sehr viel“, sagte der wichtigste Repräsentant der einstigen Umweltschutz-Partei.

Übrigens: Bevor der Skandal vor wenigen Wochen Schlagzeilen machte, bekamen alle Bosch-Mitarbeiter eine Email, in denen sie vordergründig auf eine negative Berichterstattung eingestimmt wurden. Nicht explizit ausgeschrieben, aber zwischen den Zeilen durchaus angedeutet, war der Appell an die Arbeitnehmer, Ruhe zu bewahren. Dass es auch beim angesehenen Bosch seit jeher besser ist, sich stromlinienförmig zu verhalten und sich nicht zu äußern, ist für Stuttgarter Bürger aber eigentlich nichts Neues. So lautet der zweite Teil des schwäbischen Bonmots: „Hädsch dei Gosch ghalda, hädd di dr Bosch bhalda.“