Kirche auf dem Strich

06. Dezember 2017
von Philipp Scheffbuch
in
kirchenparty

Die Evangelische Landeskirche Württemberg kann vor Kraft kaum laufen: Schlappe 1.100 Millionen (also 1,1 Milliarden) Euro Geldvermögen liegen auf ihrer hohen Kante, dazu kommt nochmals die selbe Summe an Sachanlagen. Da es sich bei Letzterem überwiegend um Immobilien handelt, dürfte das wahre Ausmaß an Vermögen sogar um mindestens 50 Prozent höher sein; denn wie jeder vorsichtige Kaufmann rechnet sich die hiesige Religionsgemeinschaft nach dem Niederstwertprinzip arm: Die jüngsten Wertsteigerung auf dem Immobilienmarkt sind in den Büchern der Kirche (für ihren Mietshäusern und Grundstücke) nicht ansatzweise abgebildet.

Die Evangelische Landeskirche ist also ein draller Milliardär, wäre aber natürlich nicht württembergisch, wenn sie sich nicht ärmer machen würde als sie ist. Dagobert Duck passt schließlich nicht so gut ins Neue Testament. Wurde Jesus dem Vernehmen nach doch häufig mit armen Menschen gesehen. Aber bei den Bettlern und Armen gibt es selten Delikatessen zu essen, sie richten auch nicht zu häufig coole Events aus. Insofern hat die Stuttgarter Johanneskirchen-Gemeinde jetzt einen gewieften Königsweg gefunden, um sich selbst (wegen Renovierungskosten) bedürftig darzustellen und dennoch das Licht der Schönen und Vermögenden genießen zu können: Gedanklich auf dem Rücken liegend hat die Gemeinde ihr Gotteshaus temporär für Luxusdinner und sonstige Parties an eine Eventagentur vermietet.

„Durch ein Kerzenmeer illuminiert, mit Pflanzen geschmückt, die Orgel auf der Empore samt deren Pfeifen in rotes Licht getaucht. Durch die Überlassung des Kirchenraums will die finanziell gebeutelte Gemeinde eine 33.000 Euro teure Mikrofonanlage finanzieren“, schreiben die „Stuttgarter Nachrichten“. Die Eventagentur wirbt auf ihrer Homepage: „Es entsteht unser Heavenseveneleven – eine einzigartige Pop-Up-Location, in der sich Menschen und Sinne begegnen. Gemeinsam mit unserem Catering-Partner haben wir einen Traum im Raum geschaffen, wo Erlebnis auf Kirche und Fine-Dining auf faszinierendes Ambiente trifft.“

33.000 Euro. Nicht für eine Nacht. Für viele Nächte. Die Kirche hat sich schon besser verkauft.

 

 

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