Verschlossene Türen

24. Januar 2023
von Philipp Scheffbuch
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Türe

Es fehlen 700.000 Wohnungen in Deutschland, hauptsächlich Mietwohnungen. Und überhaupt keiner sieht sich in der Lage, den Mangel schnell zu beheben.

Zeitgleich stehen laut Statistische Bundesamt rund 650.000 Wohnungen leer. Das ist ärgerlich, aber nicht unabänderlich. In sehr vielen Fällen handelt es sich um geerbte Immobilien. Die neuen Eigentümer sind sich nicht einig, ob sie verkaufen oder vermieten wollen und fallen erstmal in eine – oft jahrelange – Entscheidungsstarre. Danach entscheiden sie sich häufig für einen Verkauf, auch um die Erbschaftssteuer stemmen zu können. Genau diese Steuer könnte der Hebel sein, um Eigentümer für eine Vermietung zu begeistern: Würde man die Erbschaftssteuer auf den Immobilienwert erlassen, wenn die neuen Eigentümer unmittelbar nach dem Erbübergang mindestens für 20 Jahre exakt auf Mietspiegel-Niveau vermieten, kämen wohl rasch Hunderttausende bezahlbare neue Wohneinheiten auf den Mietmarkt.

Das wäre sozial. Das wäre ökologisch. Und ausnahmsweise pragmatisch.

Aufreger Tönnies

23. Juni 2020
von Philipp Scheffbuch
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aaaFairemodeStuttgart

Tönnies ist kein Name. Tönnies ist ein System. Und das System ist überall. Weltweit. In fast allen Branchen. Es gibt nur einen Unterschied: Fleisch für deutsche Kunden wird aus logistischen Gründen großteils in Deutschland hergestellt. Deshalb reißen wir jetzt alle entsetzt die Augen auf: Die Zustände allgemein und besonders die Arbeitsbedingungen sind skandalös. Das wussten wir aber alle schon lange. Von Interesse ist es jetzt, weil plötzlich Angst herrscht. Angst vor Ansteckung, direkt vor unserer Haustüre, in unserem schönen sauberen Land. Es geht jetzt – auch wenn es keiner zugibt – um unsere eigene Haut.

Das Wirtschaftssystem Tönnies ist gewöhnlich weit weg, im fernen Ausland. Aus den Augen, aus dem Sinn: wir möchten nicht sehen, wie es zugeht hinter den Kulissen des Pauschaltourismus, der Spielzeugartikel- oder auch der Handyherstellung.  Und wir blenden aus, wie rund 99 Prozent der hübschen Modeartikel hergestellt werden, die wir in den hell ausgeleuchteten Schaufenstern der Fußgängerzonen bestaunen.

Die meisten Menschen in diesem Land sagen, die Arbeitsbedingungen seien ihnen nicht egal.

Die Absatzzahlen geben das nicht her.

Armut kotzt an

17. Juni 2020
von Philipp Scheffbuch
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wald bild

Die Waldbesitzer in Deutschland sind bedürftige Menschen. Das hat auch die Bundesregierung registriert und steckt den Forstbesitzern nun im Rahmen des jüngsten Konjunkturpaketes 700 Millionen Euro zu. Das ist zweifelsfrei eine sinnvolle Sache, denn die wirklich armen Menschen in Deutschland sind mehrheitlich Waldbesitzer. Bedauernswerterweise haben sich die Preise für Wälder in den vergangenen 15 Jahren nur verdoppelt. Bedürftige Kleinverdiener stecken auch deshalb seit Jahrzehnten alles in Wälder, weil es die beste Art ist, die lästige Erbschaftssteuer zu umgehen. Vererben die Mittellosen in diesem Land doch seit jeher die größten Vermögen.

Die meisten privaten Waldeigentümer sind selbstverständlich anonym, weil ihnen ihre Armut peinlich ist. Nur die zwei Größten sind namentlich bekannt: Die Familie Thurn und Taxis besitzt 20.000 Hektar Wald. Unwesentlich mehr besitzen die Kirchen in Deutschland: nämlich 150.000 Hektar. Gottseidank wird beiden geholfen.

Armedangels versus Hugo Boss

23. Januar 2020
von Philipp Scheffbuch
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hugo boss armedangels

Das Kölner Label Armedangels ist der größte öko-faire Bekleidungshersteller in Europa. Die meisten informierten Menschen kennen Armedangels, die meisten finden die Idee, faire ökologisch einwandfreie Klamotten herzustellen, gut und unterstützenswert. Armedangels hat es geschafft, den europaweiten Jahresumsatz auf 35 Millionen Euro zu schrauben – und das innerhalb von 13 Jahren. Mit Interviews und Geschichten wird dies in der Presse als Erfolg, als Trendumkehr gefeiert: der Armedangels-Chef findet öffentlich gerade mehr Beachtung als der Hugo Boss-Chef.

Dabei hat der konventionelle Modekonzern Hugo Boss in den vergangenen 13 Jahren seinen Umsatz ebenfalls gesteigert: und zwar um 1400 (eintausendvierhundert) Millionen Euro. Hugo Boss setzt jetzt 2,88 Milliarden Euro jährlich um.

Wir müssen also etwas Wasser in den Wein schütten: es gibt bisher keine Trendumkehr. Der Umsatz des wichtigsten Fairfashion-Anbieters Armedangels beträgt trotz zahlreicher Sympathiebekundungen gerade einmal 1,2 Prozent (einskommazwei!) Prozent von Hugo Boss. Allein seit der Gründung von Armedangels ist Hugo Boss in absoluten Zahlen vierzigmal so stark gewachsen wie das Kölner Öko-Label.

In die Hände gespuckt: es ist noch viel zu tun.

 

Justiz kümmert sich um Daimler

01. August 2019
von Philipp Scheffbuch
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Daimler LBBW

Endlich geht es los: Die Justiz kümmert sich um den ehemaligen Daimler-Chef Dieter Zetsche. Der Drahtzieher des württembergischen Diesel-Skandals erwartet einen Richterspruch.

Kurioserweise ist es aber nicht die Staatsanwaltschaft, die den langjährigen Daimler-Chef vor das Stuttgarter Landgericht zerrt. Sondern Zetsche selbst fordert einen Richterspruch. Weil er sich betrogen fühlt. Und zwar nicht von seinem Autohersteller, der ihm einen Wagen mit falschen Emissionswerten verkauft hat, sondern Zetsche fühlt sich von seiner Hausbank über den Tisch gezogen. 100 000 Euro hat der Automanager laut eines Berichts der „Stuttgarter Zeitung“ vor zehn Jahren in einen Immobilienfonds investiert, den ihm ein Berater der BW-Bank vermittelte. Später geriet der Fonds in den Strudel eines Anlageskandals und steckt heute tief in der Verlustzone. Nun will der Ex-Daimler-Chef sein Geld von dem zur Landesbank Baden-Württemberg gehörenden Institut zurückholen. Verständlich: schließlich – so vermuten Insider – geht es um rund ein Promille seines Vermögens.

Es ist beruhigend zu wissen, dass der 66-Jährige ein gesundes Rechtsempfinden hat.

Zumindest gelegentlich.

Kein Gift im Schritt

01. März 2019
von Philipp Scheffbuch
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Direkt auf der Haut tragen die meisten Menschen eine toxische Zeitbombe. Rund ein Drittel aller Chemikalien weltweit landet in der Kleidung – die Meisten der Chemikalien waren allerdings nie für den direkten Kontakt mit der menschlichen Haut vorgesehen gewesen. Greenpeace entnahm vor einiger Zeit Proben aus den Abwässern chinesischer Textilfabriken und wies einen Giftcocktail nach, der zum Teil über die Flüsse in die Nahrungskette und ins Trinkwasser gelangt. Modemarken missbrauchen weltweit Flüsse als private Abwasserkanäle und verschmutzen so das Trinkwasser von Millionen Menschen. Ein interessanter Aspekt unsere globalisierten Wirtschaftsordnung: wir erlassen zwar Umweltgesetze für Deutschland und die EU, lagern gleichzeitig die Produktion der Textilien aus und scheren uns nicht darum, wie die Auftragnehmer in Fernost produzieren und mit ihrer Umwelt umgehen. Wenn deren Wasser dann nicht mehr zu trinken ist, und neue Flüchtlingsströme einsetzen, schauen wir überrascht. Vielen ist die Dimension nicht bewusst: sollten sich irgendwann nur zehn Prozent der Inder (mit gutem Grund)  aufgrund vergifteter Flüsse auf den Weg nach Europa machen, wären das 130 Millionen Menschen. Heute will das kaum einer wissen.

Gerade bei der Herstellung von Jeans geschehen die größten Sünden für Mensch und Umwelt. Umso erstaunlicher, wie gleichgültig der Mehrheit der ModekäuferInnen die Herstellungsmethoden zu sein scheinen. schlechtmensch hat von Beginn an auf ein klares Kriterium gesetzt: Wir verkaufen nur  GOTS-zertifizierte Kleidung, so auch Hosen. Deshalb verzichten wir unter anderem sogar auch auf namhafte Green-Fashion-Marken wie Nudie; weil uns nicht einleuchtet, warum sich Nudie und auch manch andere „grüne“ Marke nicht extern begutachten lässt.

Neben Feuervogl-Jeans überzeugt uns das GOTS-Programm von Armedangels. Deren Denims werden aus Bio-Baumwolle in der Türkei und Tunesien gefertigt, ohne schädliche Chemie und 100 Prozent vegan, unter Einhaltung der Sozialkriterien und fairer Entlohnung. Bei allen Styles wird auf Lederpatches verzichtet, stattdessen ein Label aus Papier verwendet. In allen Fertigungsstufen wird der Einsatz von Wasser und Energie minimiert. Durch einen geschlossenen Wasserkreislauf und mit Einsatz höherwertiger Technik wird der Einsatz von Chemie minimiert.  Auch Knöpfe, Nieten und Reißverschlüsse sind per GOTS-Bestimmungen auf schädliche Rückstände geprüft. Alle Produktionsstätten sind extern begutachtet und haben ein GOTS-Siegel erhalten.

Trotz all dieser Kriterien können die haut-und umweltfreundlichen Jeans preislich mit der konventionellen Mode mithalten: Armedangels-Jeans für Frauen und Männer gibt es ab 89,90 Euro.

Frauen: Hier klicken   Männer: Hier klicken

Alles gut

27. September 2018
von Philipp Scheffbuch
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blog schlechtmensch 09.18

Die Kirche missbraucht Kinder. Die Autoindustrie verkauft Autos, die nicht halten, was sie versprechen. Die Gottesmänner bieten als Entschädigung 5000 Euro an. Die Autoindustrie lobt Gutscheine aus. Die Kirche fände Gutscheine sicher auch gut, ist aber nicht auf die Idee gekommen; sie gibt sich reumütig. Genauso die Autoindustrie. Alleine VW hat nach eigenen Angaben 11,8 Millionen mal betrogen. In den deutschen Diözesen wurden nach deren Angaben 3677 Kinder missbraucht – seit 1946. Die ersten 1946 Jahre seit Christi Geburt wurden nicht untersucht. Viele Täter sind tot. Zumindest bei der Kirche. Die Opfer leben. Genauso der ehemalige VW-Chef. Von sich aus wollte er nicht zurücktreten. Auch die deutschen Bischöfe leben. Und bleiben alle im Amt.

 

Dumm verkauft

26. Juni 2018
von Philipp Scheffbuch
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fahrvergnuegen

Die einen nennen es lustig, die anderen dreist: Das Land Niedersachsen feiert jetzt – mitten im Hochsommer – Weihnachten. Die Hannoveraner Landesregierung verkündet stolz, das gegen VW verhängte Milliarden-Bußgeld vor allem in den Ausbau des schnellen Internets und in Unikliniken stecken zu wollen. Weitere Mittel aus der Milliarde sollen in den Schuldenabbau, die Sanierung von Sportstätten und einen Umweltfonds zur Luftreinhaltung fließen. Das alles posaunt Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in die Welt hinaus.

Zur Erinnerung: Das Land Niedersachsen ist Großaktionär bei VW und hält 20 Prozent der Stimmrechte und ist als Eigentümer zweifelsohne mitverantwortlich für die Dieselschummelei.  In Hannover geht der Landeschef aber ungern in Sack und Asche. Stattdessen steckt er die selbst verursachte Strafe in die eigene Landes-Tasche und verkauft sie zeitgleich als Wohltat ans Wahlvolk. Unbeantwortet bleibt hingegen, warum die dortige Landesregierung die Dieselschummellei – in seiner Kontrollfunktion im Aufsichtsrat – nicht mitbekommen haben will. Dass der künftige Gewinn und damit die Dividende ans Land Niedersachsen durch die Strafe sinken wird, will heute auch niemand wissen. Schließlich sind alle Kerzen angezündet: heute ist Bescherung.

Ein Komiker als Regierungspräsident

20. Dezember 2017
von Philipp Scheffbuch
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Von wegen Carl Benz: Wahrscheinlich waren es die Grünen, die das Auto erfunden haben. Und jetzt herrscht unter ihnen große Angst vor, ihre stolze Erfindung könnte aussterben. Der Stuttgarter Regierungspräsident Wolfgang Reimer hat sich sein Amt dank seiner überdurchschnittlichen Fähigkeiten hart erarbeitet. Dass er ein Grünes Parteibuch hat, wird Zufall gewesen sein. Kostproben seiner extraordinären Begabung hat er Anfang dieser Woche vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gegeben. Den Antrag der Kläger, dass das Land bei Überschreitung der Grenzwerte gemäß Zusage verpflichtet sei, Maßnahmen zur Minderung des Autoverkehrs zu treffen, hat er zurückgewiesen. Um zu beweisen, dass er die Problemlage in ganzer Tiefe erfasst hat, schlug er vor, in den Häusern der beiden betroffenen Kläger beim Neckartor technische Einbauten vorzunehmen, um dort vergleichsweise saubere Luft zuzuführen.

Der Mann hat Recht: Das Waldsterben früher kam auch nicht von den Autos. Schließlich waren Waldwege schon immer für Autos gesperrt.

Kirche auf dem Strich

06. Dezember 2017
von Philipp Scheffbuch
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Die Evangelische Landeskirche Württemberg kann vor Kraft kaum laufen: Schlappe 1.100 Millionen (also 1,1 Milliarden) Euro Geldvermögen liegen auf ihrer hohen Kante, dazu kommt nochmals die selbe Summe an Sachanlagen. Da es sich bei Letzterem überwiegend um Immobilien handelt, dürfte das wahre Ausmaß an Vermögen sogar um mindestens 50 Prozent höher sein; denn wie jeder vorsichtige Kaufmann rechnet sich die hiesige Religionsgemeinschaft nach dem Niederstwertprinzip arm: Die jüngsten Wertsteigerung auf dem Immobilienmarkt sind in den Büchern der Kirche (für ihren Mietshäusern und Grundstücke) nicht ansatzweise abgebildet.

Die Evangelische Landeskirche ist also ein draller Milliardär, wäre aber natürlich nicht württembergisch, wenn sie sich nicht ärmer machen würde als sie ist. Dagobert Duck passt schließlich nicht so gut ins Neue Testament. Wurde Jesus dem Vernehmen nach doch häufig mit armen Menschen gesehen. Aber bei den Bettlern und Armen gibt es selten Delikatessen zu essen, sie richten auch nicht zu häufig coole Events aus. Insofern hat die Stuttgarter Johanneskirchen-Gemeinde jetzt einen gewieften Königsweg gefunden, um sich selbst (wegen Renovierungskosten) bedürftig darzustellen und dennoch das Licht der Schönen und Vermögenden genießen zu können: Gedanklich auf dem Rücken liegend hat die Gemeinde ihr Gotteshaus temporär für Luxusdinner und sonstige Parties an eine Eventagentur vermietet.

„Durch ein Kerzenmeer illuminiert, mit Pflanzen geschmückt, die Orgel auf der Empore samt deren Pfeifen in rotes Licht getaucht. Durch die Überlassung des Kirchenraums will die finanziell gebeutelte Gemeinde eine 33.000 Euro teure Mikrofonanlage finanzieren“, schreiben die „Stuttgarter Nachrichten“. Die Eventagentur wirbt auf ihrer Homepage: „Es entsteht unser Heavenseveneleven – eine einzigartige Pop-Up-Location, in der sich Menschen und Sinne begegnen. Gemeinsam mit unserem Catering-Partner haben wir einen Traum im Raum geschaffen, wo Erlebnis auf Kirche und Fine-Dining auf faszinierendes Ambiente trifft.“

33.000 Euro. Nicht für eine Nacht. Für viele Nächte. Die Kirche hat sich schon besser verkauft.

 

 

schlechtmensch? was soll das?

27. Oktober 2017
von Philipp Scheffbuch
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Warum heißen wir schlechtmensch? Es ist ganz einfach, die Guten sind ja schon die anderen.

Zum Beispiel die großen Lebensmitteldiscounter: „Bei Aldi Süd steht der Mensch im Mittelpunkt“, heißt es auf deren Homepage. Konkurrent Lidl posaunt hinterher: „Was uns diesen Weg erfolgreich beschreiten lässt, ist unser gemeinsames Verständnis davon, wie wir arbeiten möchten: mit Fairness, Mut, Veränderungsbereitschaft und einem hohen Maß an Empathie.“ Und auch der Fast-Fashion-Extremist Primark schreibt ohne Schamesröte: „Wir teilen die übergeordneten Prinzipien der Gruppe in Bezug auf Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Geschäftsgebaren und die Beziehung zu Zulieferern und anderen Beteiligten.“

Wir mögen ja Humor, aber das ist etwas viel.

Wenn sich inzwischen wirklich jeder „gut“ nennt, nennen wir uns lieber „schlecht“. Weil wir wirklich anders sind.

Schönes Leben

19. Juli 2017
von Philipp Scheffbuch
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zetsche

Wir sind klein. Unser Herz ist rein. Aber nehmen wir mal an, schlechtmensch wäre groß. So richtig riesig wie zum Beispiel ein wichtiger deutscher Industriekonzern. Dann würde unser Leben ganz anders funktionieren. Wir würden Millionen Stück an „Fairtrade“-T-Shirts verkaufen. Scheinbar. In Wirklichkeit würden wir jedoch, um Kosten zu sparen, nur billige – unfair hergestellte –  T-Shirts umetikettieren und als fair ausgeben. Wir würden Tag für Tag beteuern, dass wir der beste Händler der Welt sind und auf uns absolut Verlass ist. Premium halt!

Würde dann eine anderer Fairtrade-Händler aus Norddeutschland des Betruges überführt, würden wir empört zu ihm hinüberzeigen und mit aufgerissenen Augen beteuern, bei uns sei alles in Ordnung und wir seien zutiefst angeekelt von den Betrügereien unseres Wettbewerbers.

Wir würden das so lange durchhalten bis bissige Journalisten ortsfremder Medien uns nachweisen, dass wir gemogelt haben. Wenn dann zusätzlich auch noch die Staatsanwaltschaft sich anschickt, gegen uns zu ermitteln und die Stadt Stuttgart droht, bald gar keine Fairtrade-T-Shirts mehr in die Stadt zu lassen, reagieren wir ganz einfach: Wir würden drei Millionen T-Shirt zurückrufen und die Software der T-Shirts verändern.

Die Staatsanwaltschaft würde Kreide fressen, der Ministerpräsident würde uns loben und unsere Kunden würden uns wegen des kostenlosen Rückrufes auf die Schulter klopfen. Das Leben kann wirklich schön sein.

 

Vergessenes Grab: Daimler

18. Februar 2017
von Philipp Scheffbuch
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daimlergrab

Es ist allgemein bekannt: in Stuttgart gibt es einen nicht unbedeutenden Autokonzern, er setzt 153 Milliarden Euro im Jahr um und erwirtschaftet einen Gewinn von 12,5 Milliarden Euro, er verschafft 282.000 Mitarbeitern einen Job und bezahlt seinem Vorstand jährlich 29 Millionen Euro. Der Konzern nennt sich nach dem Familienname des Mannes, der das erste vierrädrige Kraftfahrzeug mit Verbrennungsmotor erfunden hat: Gottlieb Daimler. Gottlieb Daimler lebt nicht mehr, sondern liegt seit 117 Jahren auf dem Uff-Kirchhof in Stuttgart-Bad-Cannstatt.

Zwischen der edlen repräsentativen Daimler-Konzernzentrale in Untertürkheim und dem Uff-Kirchhof in Bad Cannstatt liegen genau 3,2 Kilometer Straße. Mit einem herkömmlichen Pkw benötigt man für die Strecke maximal sieben Minuten, mit einem Mercedes wahrscheinlich nur sechs Minuten. Der Uff-Kirchhof liegt zwischen der Lutherkirche und der Liebfrauenkirche, den vielleicht schönsten beiden Kirchen im gesamten Stuttgarter Stadtgebiet. Auf diesem eindrücklichen Friedhof also befindet sich die letzte Ruhestätte des Mannes, dem sowohl der Vorstand als auch alle Angestellten der heutigen Daimler AG ihren relativen Wohlstand zu verdanken haben. Besucher erwarten – wie an vielen anderen vergleichbaren Orten auch – ein stolzes würdevolles Grab, ein gepflegtes Grab, ein Grab, das Respekt und auch Dankbarkeit zum Ausdruck bringt. Das alles ist hier aber erstaunlicherweise nicht zu sehen.

Es liegt altes Laub zwischen den Bäumchen, davor ein mehrere Wochen altes Gesteck. Ansonsten gibt es keinen Kranz, keine Gedenktafel, nichts. Es ist mehr als zu spüren: der Gründer ist vergessen, hier scheint das börsennotierte Wirtschaftsunternehmen, das sonst auf kostspielige Hochglanz-Werbung setzt, zum knauserigen Erben zu werden. Dabei kostete eine tagtägliche Grabpflege wohl kein Vermögen. Es geht viel eher um die Gewichtung. So steht sehr nahe zu vermuten, dass der Untertürkheimer Autokonzern auf dem Uff-Kirchhof für ein gesamtes Kalenderjahr Grabpflege weit weniger als einen Tagessatz der Vergütung des heutigen Vorstandsvorsitzenden aufwendet. So oder so: Das Grab macht nachdenklich.

Oettinger bei Jesus

17. November 2016
von Philipp Scheffbuch
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Keine Frage: Günther Oettinger ist ein Guter.

Eigentlich braucht es dafür keine Belege, dennoch:

2007 zeigt Oettinger, dass er Trauerreden beherrscht: „Hans Filbinger war kein Nationalsozialist. Im Gegenteil: Er war ein Gegner des NS-Regimes.“

Im selben Jahr äußert Oettinger sich klug zu Kriegen im Allgemeinen: „Das Blöde ist, es kommt kein Krieg mehr.“

Und 2010, kurz vor seinem Wechsel nach Brüssel, gibt er bescheiden aber aufrichtig den Stand seiner Sprachkenntnisse wider: „Ich bin in Englisch für das Gespräch sehr sicher.“

Im vergangenen Monat formuliert Oettinger erneut sprachlich geschickt und herzzerreißend einfühlsam die äußerlichen Merkmale von Menschen aus Fernost: Chinesen seien „Schlitzohren und Schlitzaugen“, die sich schwarze Schuhcreme ins Haar schmierten. Das sind doch kluge Aussagen: wer keine Bilder nutzt, macht Dinge nicht anschaulich! Kein Wunder also, dass alle Bürger ehrfurchtsvoll nach Brüssel stieren ob der menschlichen und intellektuellen Fähigkeiten unseres württembergischen Gesandten.

Betrübt stellen wir aber seit gestern fest, dass Günther Oettinger sich wegen einer Flugreise verteidigen muss. Was in Gottes Namen soll denn daran anstößig sein, dass der EU-Kommissar mit dem ehemaligen Daimler-Manager und heutigen Lobbyisten Klaus Mangold in dessen Flugzeug kostenlos nach Ungarn reist? Es ist doch einfach nur schön, dass Oettinger unbedingt den Ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zum Abendessen treffen wollte. Gilt Orban doch als liberaler Freigeist der EU, mit dessen menschenfreundlichem Gedankengut sich die EU beschäftigen sollte. Deshalb war es auch konsequent, dass Oettinger alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um den wahrlich vielbeschäftigten ungarischen Ministerpräsidenten nicht auf irgendeine Linienmaschine warten zu lassen. Lässt man etwa Dalai Lama, Che Guevara oder Jesus Christus warten? Eben!

„Deshalb hat die ungarische Regierung vorgeschlagen, dass Günther Oettinger im Flugzeug von Klaus Mangold mitfliegt, der auch nach Budapest reiste“, heißt es in Oettingers Stellungnahme. „Das war der einzige mögliche Weg, rechtzeitig zu dem Treffen zu kommen. Die ungarischen Behörden bezahlten auch für die Unterbringung in Budapest.“

Es wird einem richtig warm ums Herz: Nicht nur Oettinger ist ein Guter. Auch Orban ist einnehmend sympathisch. Und Klaus Mangold sowieso.

Kirchen als Sparfüchse

06. Oktober 2016
von Philipp Scheffbuch
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„Darum sage ich euch: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr denn Speise? und der Leib mehr denn die Kleidung? Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie?“ Soweit Jesus Christus, überliefert zumindest nach Matthäus 6.

Heute hat das Erzbistum Köln den jährlichen Finanzbericht veröffentlicht. Demnach hortet alleine das Kölner Bistum 2500 Millionen Euro in Wertpapieranlagen. Die Immobilienanlagen werden zusätzlich vorsichtig gerechnet auf 600 Millionen Euro ausgewiesen, dazu kommen Sachanlagen und Umlaufvermögen. Das Bistumskapital, die Rücklagen und die Rückstellungen zusammen – also im Prinzip der der bezifferte Angstfaktor vor der Zukunft – beläuft sich auf 3,2 Milliarden Euro, also sagenhafte 3200 Millionen Euro! Die Münchener und die Paderborner Bistümer sind noch reicher als die Kölner, beziehungsweise – in den Worten Jesu – noch sorgenvoller.

Auch die Protestanten leben alles andere als sorglos in den Tag hinein. Alleine die Evangelische Landeskirche in Württemberg könnte von heute auf morgen 3000 Millionen Euro lockermachen, so viel Geldvermögen besitzt die Landeskirche. Zusätzlich gibt es laut deren Bilanz ein beträchtliches realisierbares Immobilienvermögen. Betrachtet man die Passivseite der Bilanz wird der Reichtum klar: Eigenkapital und die aus Sorge gebildeten Rückstellungen zusammen erreichen 3,8 Milliarden Euro, also sogar mehr als im Bistum Köln. Dringende Verwendung scheint die württembergische Landeskirche momentan nicht für ihr Vermögen zu haben, so wurden mehr als 1100 Millionen Euro in längerfristigen Finanzanlagen geparkt.

Die Kirchen beider Konfessionen argumentieren gerne mit der Vorsorge für schlechtere Zeiten oder noch präziser mit der Notwendigkeit, für die eigenen Bediensteten Pensionsrückstellungen bilden zu müssen. Dabei gibt es nicht wenige Menschen im In- und Ausland, die heute in existenzieller Not sind. An diesen Personenkreis wird in beiden Kirchen nicht selten erinnert, besonders nachdrücklich, wenn es um Opfergaben im Gottesdienst geht.

Zum Vergleich: herkömmliche Wirtschaftsunternehmen stecken ihre Mittel normalerweise in ihr Kerngeschäft und haben nur wenige Mittel übrig, um Finanzanlagen anzuhäufen – es sei denn es handelt sich um deren Kerngeschäft, also um Hedgefonds oder Investmentfirmen.

„Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch.“ Die Leichtigkeit der zitierten Vögel ist bei den Kirchen nicht wirklich zu spüren. Ganz im Gegenteil. Es wäre spannend zu erfahren: woher kommt die ganze Angst?

Hädsch dei Gosch ghalda, hädd di dr Bosch bhalda

27. September 2016
von Philipp Scheffbuch
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Rund um Stuttgart ist häufig ein schwäbischer Spruch zu hören, den selbstbewusste Bosch-Mitarbeiter seit jeher von sich geben: „Hald dei Gosch, i schaff beim Bosch.“ Bosch war schon immer der Inbegriff der Sicherheit. Spötter in Stuttgart sagen, es gebe keinen Unterschied zwischen einer Beamten- und einer Bosch-Laufbahn.

Bosch gilt in Württemberg als sakrosankt, nicht zuletzt, weil der Gründer Robert Bosch ein Wohltäter war. Heute betreibt die Bosch-Stiftung viel Gutes in Gesundheit, Wissenschaft und Völkerverständigung. Die Bosch-Stiftung verwaltet (sehr schwäbisch vorsichtig gerechnet) eine Milliarde Euro. Für das Unternehmen sind die Aktivitäten der Stiftung alles andere als hinderlich, im Gegenteil: So umhegt die Stiftung junge Akademiker und Journalisten und knüpft früh Bande zu den künftigen Entscheidern und Multiplikatoren, gegen Bosch will niemand sein.

Seit einem Jahr steckt der schwäbische Autozulieferer nun im ungeheuerlichsten Wirtschaftsskandal, den es je in Deutschland gegeben hat: Bosch hat die Schummelsoftware für Volkswagen entwickelt, mit der die Wolfsburger beinahe zwölf Millionen Autokäufer betrogen haben und unzählige nationale Umwelt- und Steuerauflagen missachtet haben. Es gibt laut US-Behörden Belege, dass Bosch-Chef Volkmar Denner schon lange über den Betrug im Bilde war: vor zweieinhalb Jahren soll er sich sogar mit dem damaligen Volkswagen-Chef Martin Winterkorn getroffen haben, um das weitere Vorgehen zu besprechen, weil es Anzeichen gegeben haben soll, dass die Schummelsoftware auffliegt.

Die US-Ankläger rüsten sich inzwischen, gegen Bosch vor Gericht zu ziehen. Während der Dax-Konzern Volkswagen mit den US-Klägern längst einen Vergleich geschlossen hat, versucht das Stuttgarter Stiftungsunternehmen sich wegzuducken. Von Bosch gibt es keine Erklärungen, die auch irgendetwas erklären und schon gar keine Schuldeingeständnisse. Noch viel besser: Bosch weigert sich standhaft, den US-Behörden volle Einsicht in die eigenen Unterlagen zu gewähren.

Gut für Bosch, dass die einstigen Auto-Skeptiker von den hiesigen Grünen die örtlichen Machenschaften so geschmeidig beurteilen wie sonst wohl nur der Bundesverband der deutschen Industrie. So drückte der baden-württembergische grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Falle des größten Abgasskandals der Geschichte unlängst sogar sein Verständnis aus. Kretschmann klang beinahe wie ein Firmensprecher als er vergangene Woche sagte, bei der Aufklärung der Vorwürfe und bei künftigen Vorsorgemaßnahmen habe er „volles Vertrauen“ in den Konzern. Die Dieseltechnologie sei sehr wichtig für Baden-Württemberg, circa 50 000 Arbeitsplätze hingen daran. „Da geht es schon um sehr viel“, sagte der wichtigste Repräsentant der einstigen Umweltschutz-Partei.

Übrigens: Bevor der Skandal vor wenigen Wochen Schlagzeilen machte, bekamen alle Bosch-Mitarbeiter eine Email, in denen sie vordergründig auf eine negative Berichterstattung eingestimmt wurden. Nicht explizit ausgeschrieben, aber zwischen den Zeilen durchaus angedeutet, war der Appell an die Arbeitnehmer, Ruhe zu bewahren. Dass es auch beim angesehenen Bosch seit jeher besser ist, sich stromlinienförmig zu verhalten und sich nicht zu äußern, ist für Stuttgarter Bürger aber eigentlich nichts Neues. So lautet der zweite Teil des schwäbischen Bonmots: „Hädsch dei Gosch ghalda, hädd di dr Bosch bhalda.“

Armed Angels Jeans in Stuttgart

22. August 2016
von Philipp Scheffbuch
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schlechtmensch, die faire Boutique in Stuttgart-Mitte, macht auch bei den Hosen überhaupt keine Kompromisse: Wir verkaufen ausschließlich Beinkleider, die GOTS-zertifiziert sind. Wahrscheinlich sind wir der einzige Laden weit und breit, der so radikal vorgeht. Und das nicht, weil wir den Dünkel haben, alles besser zu machen, sondern weil wir Kunden verstehen, die beim Thema Bio und Fair auch zweifelnde Stirnfalten entwickeln. Deshalb verlassen wir uns nicht auf die Angaben irgendwelcher Hersteller, besser, fairer und umweltgerechter zu sein, sondern wollen von allen Herstellern Nachweise sehen. Gerade bei Jeans war das schwer, insbesondere bei Männer-Jeans. Denn lange gab es keinen Hersteller, der GOTS-zertifizierte Männerjeans angeboten hat.

Jetzt endlich haben wir auch für Männer hier im Shop zertifizierte Jeans von Armed Angels (ab 89,90 Euro und von Feuervogl. Die ersten Rückmeldungen der männlichen Kunden sind sehr gut. Es dürfte nun keinen Bursche mehr geben, der ohne Hose unseren Laden verlassen muss. Frauen sind noch besser dran: Wir haben hier auch sehr viele Farben und Styles im Angebot.

Der GOTS (Global Organic Textile)-Standard stellt strikte umwelttechnische Anforderungen an die gesamte textile Produktionskette und verlangt gleichzeitig die Einhaltung von Sozialkriterien. GOTS verbietet die Verwendung von Chemikalien, die Krebs, Geburtsschäden und andere schwere Krankheiten verursachen können. Alle Farbstoffe werden vor ihrer Zulassung geprüft. Die Menschen, die GOTS zertifizierte Artikel herstellen, kommen nicht mit giftigen Chemikalien in Berührung. Zusätzlich basieren die GOTS-Sozialkriterien auf den Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Unter anderem werden der Lohnschutz garantiert, Kinder-und Zwangsarbeit verboten. Die vielen weiteren Kriterien könnt Ihr hier lesen:   die Sozialkriterien…hier klicken

Besucht uns einfach direkt am U-Bahn-Halt Neckartor in Stuttgart. die genaue Anfahrtsbeschreibung…hier klicken

 

Per Urteil lustvoller Sex

19. Juli 2016
von Philipp Scheffbuch
in
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„Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet. Deshalb muss der Partner, dem es nicht gelingt, Befriedigung im Verkehr zu finden, aber auch nicht, die Gewährung des Beischlafs als ein Opfer zu bejahen, das er den legitimen Wünschen des anderen um der Erhaltung der seelischen Gemeinschaft willen bringt, jedenfalls darauf verzichten, seine persönlichen Gefühle in verletzender Form auszusprechen.“ Soweit ein wortwörtliches Urteil des Bundesgerichtshofes 1966.
Die Vorgeschichte: Der klagende Ehemann gab an, „die Zerrüttung der Ehe sei aus der Einstellung der Beklagten zum ehelichen Verkehr entstanden. Sie habe ihm erklärt, sie empfinde nichts beim Geschlechtsverkehr und sei imstande, dabei Zeitung zu lesen; er möge sich selber befriedigen.“
Der Bundesgerichtshof stellte 1966 klar, die Ehefrau muss dem Ehemann – egal was sie selbst dabei empfindet – Lust und Anregung vorspielen. Heute kümmert sich der Gesetzgeber, dass ein Nein ein Nein ist. Damals sollte ein Nein ein lustvolles Ja sein, so wollten es die höchsten Richter in der jungen Bundesrepublik.
Gruseliger Nebeneffekt: Wer heute um die 50 Jahre alt ist, darf zumindest vermuten, dass es extrem lustvoll zugegangen ist bei der eigenen Zeugung.

GOTS oder gar nicht

21. April 2016
von Philipp Scheffbuch
in
FEuervoglGOTS jeans

Ganz oder gar nicht: in unserem Stuttgarter Laden gibt es nicht nur blaue und schwarze, sondern jetzt auch graue Jeans – (wie immer bei uns) komplett GOTS-zertifiziert. Graue Jeans…dabei mögen wir Graubereiche nicht. In der Green Fashion gibt es aus unserer Sicht zu viele Graubereiche und auch manche gräuliche Fragezeichen. Das betrifft leider auch Jeans. Wir verstehen die Mehrheit der Greenfashion-Jeans-Hersteller nicht, die es nicht hinbekommen (will), sich zertifizieren zu lassen. Ausreden hierfür gibt es genug: So behaupten einige bekannte Greenfashion-Jeansmarken, eine zertifizierte Jeans sei ihnen wegen des Lederlabels nicht möglich. Denn damit könne man kein Zertifikat bekommen. Aus unserer Sicht eine wirklich fabelhafte Geschichte, besteht heute doch längst kein Kunde mehr auf einem Lederlabel, durch das er seinen Gürtel ziehen kann… Das war zuletzt in den Achtziger Jahren ein Statussymbol.
Es gibt bei den Anbietern aber auch positive Ausnahmen: Armed Angels hat es in diesem Frühjahr wenigstens einmal hinbekommen, Jeans mit GOTS (Global Organic Textile Standard)-Zertifikat anzubieten. Wir haben die schönen Hosen hier. Leider sind sie Mangelware, künftig wird es das coole Kölner Label aus „produktionstechnischen Gründen“ nicht mehr schaffen, zertifizierte Jeans anzubieten. Wir werden ab Herbst dann auch keine Armed Angels-Jeans mehr führen.
Wir haben dennoch entsprechende Hosen, und zwar von Sey und Feuervogl; beide Labels sind umfassend GOTS-zertifiziert – und nicht als Mogelpackung wie bei einigen anderen Anbietern nur die Baumwolle. Feuervogl-Jeans in schönen Farben und Schnitten und Styles gibt es bei uns ab 89 Euro. In wenigen Tagen werden wir auch Männer-Jeans von Feuervogl anbieten. Wir freuen uns darauf.

Das GOTS-Zertifikat, Erklärung, hier klicken

Primark und dm

01. April 2016
von Philipp Scheffbuch
in
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Der irische Textildiscounter Primark wird in Stuttgart zwei Jahre nach Eröffnung der ersten Filiale eine zweite eröffnen. Primark mietet laut übereinstimmenden Medienberichten 8000 Quadratmeter in der einst edlen Fußgängerzone Königstraße an. Bei den Flächen handelt es sich um Teile eines ehemaligen Karstadt-Hauses.
Primark verkauft T-Shirts oft für weniger als zwei Euro. Viele Kunden gehen davon aus, damit ein Schnäppchen zu machen. In Wirklichkeit liegt der Einstandspreis dieser T-Shirt bei nur wenigen Cent. Verlierer sind natürlich die Näherinnen und Näher.
Gewinner des Primark-Geschäftsmodells sind eindeutig die Vermieter, weil sie allein von Primark in dem ehemaligen Karstadt-Haus monatlich mindestens 300.000 Euro Mieteinahmen generieren dürften. Eigentümer der Immobilie ist die Union Investment, die Investmentsparte der genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken. Zur Erinnerung: Die beiden Gründer der Genossenschaften in Deutschland, Schulze-Delitzsch und Raiffeisen, beabsichtigten mit ihrer Idee vor 170 Jahren, dass es kleinen Herstellern und Händlern gut geht, dass sie unabhängig werden vom Großkapital.
Die Drogeriekette dm hat sich über Jahre ein gutes Image erschaffen. Gerne plaudert der Gründer – der Stuttgarter Götz Werner – vom Menschen, der für ihn im Mittelpunkt steht. Auf der anderen Seite geht Werner mit seinen Läden dahin, wo der Rubel rollt. Das ist sein gutes Recht, schließlich will er der erfolgreichste Drogist sein. Insofern überrascht auch es auch nicht, dass dm für geschätzt 100 000 Euro Monatsmiete Flächen im selben Stuttgarter Haus neben Primark anmietet, um von der Magnetwirkung des Billigklamottenladens zu profitieren. Wirtschaftlich wird das sicher sehr erfolgreich werden. Und genau das scheint auch in der dm-Welt – trotz aller gegenteiliger Beteuerungen – inzwischen der einzige Maßstab zu sein. Wie schön wäre es jetzt, wenn die Drogeriekette ihr philanthropisches Getue etwas zurückstellt? Es wäre zumindest konsequent.

Armed Angels in Stuttgart

29. Februar 2016
von Philipp Scheffbuch
in
100 Prozent faire Mode, Bekleidung, Neckartor, Event, Mode, Marke

schlechtmensch führt Armed Angels für Männer und Frauen, sowohl online und auch hier im Laden in Stuttgart-Mitte. Das Greenfashion- Label, gegründet in Köln, wird bei jungen Menschen immer beliebter. Das ist eine gute und erfreuliche Entwicklung und nimmt vielen Modebewussten die Scheu, sich in faire Läden wie unseren hier in Stuttgart zu begeben. Wir führen jedoch nicht alle Armed Angels-Artikel.  Voraussetzung, dass wir Armed Angels verkaufen, ist für uns das GOTS (Global Organic Textile Standard)-Label. Weil Armed Angels das aus verschiedenen Gründen (Kapazitäten und Rohstoffe) nicht überall hinbekommt, sortieren wir bei unserer Bestellung Armed Angels Artikel, die nicht zertifiziert sind, streng aus. Denn das Konzept von schlechtmensch basiert auf externen Nachweisen. Wir machen da keine Kompromisse, nicht weil wir Oberlehrer sein wollen, sondern weil wir die Kundschaft nicht allein lassen wollt mit dem Slogan „Wir kennen doch unsere Lieferanten“. Bei uns besitzt jedenfalls alles immer Nachweise. Damit ist klar: Unsere Mode ist organic, Bio und  (ganz wichtig!) fair hergestellt. Wir sind letztlich ein modischer Weltladen für Klamotten und arbeiten auch misind auch im ständigen Austausch mit Weltläden in der Region, die oft  aus Kapazitätsgründen nur wenig Mode anbieten.

Jetzt aber nochmal zu Armed Angels, für alle T-Shirt-Liebhaber: Armed Angels führt künftig kein Signet mehr im Nacken. Die Kölner Verantwortlichen sagen, das habe viele Kunden gestört. Ich persönlich habe andere Rückmeldungen erhalten, aber egal. Wer jetzt noch hier im Laden am Neckartor vorbeikommt, besitzt die ganze Auswahl und findet noch viele T-Shirts, auch mit bewaffnetem Engel auf Nackenhöhe. Unser Laden ist leicht zu finden: direkt am U-Bahn-Halt Neckartor, wir haben aber auch kostenfreie Kundenparkplätze im Hof.

Gutmensch wird Unwort

12. Januar 2016
von Philipp Scheffbuch
in
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Das Unwort des Jahres 2015 (wobei zu untersuchen wäre, wann endlich „Unwort“ zum Unwort wird)  lautet „Gutmensch“. Damit seien diejenigen beschimpft worden, „die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder die sich gegen Angriffe auf Flüchtlingsheime stellen“, so die Jury in ihrer Begründung. Mit dem Vorwurf des „Gutmenschentums“ würden „Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert.

Bleibt eine Frage an die Jury: Ist denn Schlechtmensch im Umkehrschluss jetzt das Wort des Jahres? Wir sind dafür.

Dass wir schlechtmensch heißen, hat seinen Grund, auch, wenn wir keine sprachwissenschaftliche Jury sind: Wir haben die Schnauze voll von Kategorien. Wir sind gut und handeln wie alle in der Wirtschaft: VW nennt sein neues Rentner-Auto „Sport“, Ludwigshafen seine Müllverbrennungsanlage „MVV Umwelt“. Wir sind also in bester Gesellschaft.

Wohin mit dem Geld?

15. Dezember 2015
von Philipp Scheffbuch
in
Spekulationsfläche

Das Geld sitzt locker. Ich habe gerade ne tiefschürfende Pressemitteilung bekommen:

Der weltweite Luxusgütermarkt wird 2015 erstmals die Billion schaffen. Die Umsätze wachsen numerisch um 14 Prozent auf 1,044 Billionen Euro. Wechselkursbereinigt entspricht dies einem Plus von fünf Prozent. Besonders deutlich steigt dieses Jahr die Nachfrage nach luxuriösen Autos (wechselkursbereinigt plus acht Prozent) und Luxushotelübernachtungen (plus sieben Prozent). Die Luxusgüter des persönlichen Gebrauchs – Uhren, Schmuck, Mode, Leder und Kosmetik – legen numerisch um 13 Prozent auf 253 Milliarden Euro zu.  Das ist das Ergebnis der gemeinsamen Studie „Luxury Goods Worldwide Markets Monitor 2015“ der internationalen Managementberatung Bain & Company und des italienischen Luxusgüterverbands Fondazione Altagamma.

Also im Klartext: 1044 Milliarden Euro wurden innerhalb eines Jahres für Luxusgüter ausgegeben. Die Branche wächst um sagenhafte 14 Prozent. Es geht den Menschen anscheinend gut, zumindest vielen.

Fast alle Zentralbanken der Welt fluten die Märkte mit billigem Geld. Die Preise für Vermögenswerte steigen und steigen. Viele Menschen wissen nicht mehr, wohin mit dem Geld. Die Zinsen sind am Boden. Die Banken empfehlen den Wohlhabenden deshalb, viel Geld aufzunehmen, um in reale Dinge zu investieren: Häuser, Uhren, Kunst und Grund und Boden.

Es sind längst nicht mehr nur schillernde Vermögensberater, die das Geschäft betreiben, nein in Bayern habe ich kürzlich den obigen Aushang in einer ganz normalen biederen Sparkasse auf dem Land gesehen. Es wird auf Ackerflächen gezockt. Frohe Weihnachten!

Kriminalgeschichte in Stuttgart

18. November 2015
von Philipp Scheffbuch
in
Blog VW

VW – verrückte Welt, verrücktes Württemberg.

Die Drahtzieher des eingestandenen Abgas-Betruges kommen alle gemütlich aus unserer stolzen Region Stuttgart. Entweder direkt aus Stuttgart wie der VW-Mehrheitseigentümer, der aktuelle VW-Chef und der Softwarelieferant oder aber aus dem Vorörtchen Leonberg wie der frühere VW-Chef. Alle gemeinsam und alle einzeln haben es nicht verhindern können oder wollen, dass mehr als zehn Millionen Kunden betrogen wurden, und Hunderte Millionen Menschen über Jahre die Abgase der selbst deklarierten Fahrzeuge einatmen mussten.

Das wäre normalerweise ein Aufreger.

Aber momentan ist alles kein Problem in diesem Land, gemessen an der Aufregung um ein abgesagtes Freundschafts-Länderspiel.

VW, da sind sich jetzt anscheinend schon alle einig, darf nicht untergehen. Es gibt einen beeindruckenden Schulterschluss zwischen Politik, Justiz, Öffentlichkeit und den Akteuren in Zuffenhausen (Porsche-Holding) und auf der Schillerhöhe (Bosch). Das gemeinhin fast als gemeinnützig dargestellte Unternehmen Bosch lässt verlauten, man habe den Kunden VW gewarnt, diese Software Millionenfach einzusetzen. Das ist bigott oder wie  kürzlich ein Leserbriefschreiber in der „FAZ“ schrieb..: „Das erinnert an Verkäufer von Kilometer-Manipulationssoftware, die ihre Kunden pflichtbewusst darauf hinweisen, dass der Einsatz einer solchen Software einem späteren Käufer des Gebrauchtwagens mitgeteilt werden müsse.“

Auch der VW-Mehrheitseigentümer in Zuffenhausen spielt seit Wochen gelassen Hase und will von überhaupt gar nichts gewusst haben. Selbst die Gewerkschaften zerkauen fleißig Kreide, weil sie mit ihrer Vorzeige-Gewerkschaft IG Metall jahrelang mit am Steuer in Wolfsburg saßen, wollen davon aber nichts gewusst haben.

Und die um Unsummen an KFZ-Steuereinnahmen und Umweltplaketten-Zulassungen betrogene Bundesregierung beißt sich angestrengt auf die Lippen, weil Volkswagen für die deutsche Wirtschaft viel zu wichtig ist und die öffentliche Hand übrigens 20 Prozent der Stimmrechtsanteile hält.

Selbst vom Feinstaub gebeutelte Städte wie Stuttgart erheben keine Klage gegen den Autoriesen, von dem sie über Jahre nachweislich betrogen wurden in den (wie auch immer gearteteten oder vorgespielten) Bemühungen, die Emissionswerte EU-Konform zu senken. Es ist ernüchternd zu beobachten, wie systematisch und selbstverständlich immer häufiger der Bock zum Gärtner gemacht wird.

 

schlechtmensch  – der andere Fair Trade Laden in Stuttgart – sitzt nicht zufällig direkt am Neckartor. Wir mögen Realitäten; und weil wir sie mögen, besitzen wir auch ein gesundes Misstrauen.

Anders als Volkswagen reichen uns Selbstauskünfte (auch bei Fair Trade-Artikeln) nicht aus. Wir wollen Beweise, objektive Nachweise.

So bieten wir entweder nur GOTS-zertifizierte Mode oder Kleidung, die im Monitoring-System des internationalen Weltladen-Verbandes überprüft wird, an.

 

Alle sind fröhlich….

12. November 2015
von Philipp Scheffbuch
in
Verkehrsinsel2

Es gibt keine guten und keine schlechten Orte. Schön ist es überall, wo sich Menschen versammeln. Auch, wenn es leicht pastoral klingt, das ist keine Erkenntnis aus der Bergpredigt, sondern eine Erkenntnis, die ich ganz alleine, aber in gewohnt prätentiöser Art, verfasst habe.

Es gibt nicht nur spannende bisher kaum entdeckte Inseln in der Südsee, sondern auch in mancher niedlichen Großstadt…