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Verschlossene Türen

24. Januar 2023
von Philipp Scheffbuch
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Es fehlen 700.000 Wohnungen in Deutschland, hauptsächlich Mietwohnungen. Und überhaupt keiner sieht sich in der Lage, den Mangel schnell zu beheben.

Zeitgleich stehen laut Statistische Bundesamt rund 650.000 Wohnungen leer. Das ist ärgerlich, aber nicht unabänderlich. In sehr vielen Fällen handelt es sich um geerbte Immobilien. Die neuen Eigentümer sind sich nicht einig, ob sie verkaufen oder vermieten wollen und fallen erstmal in eine – oft jahrelange – Entscheidungsstarre. Danach entscheiden sie sich häufig für einen Verkauf, auch um die Erbschaftssteuer stemmen zu können. Genau diese Steuer könnte der Hebel sein, um Eigentümer für eine Vermietung zu begeistern: Würde man die Erbschaftssteuer auf den Immobilienwert erlassen, wenn die neuen Eigentümer unmittelbar nach dem Erbübergang mindestens für 20 Jahre exakt auf Mietspiegel-Niveau vermieten, kämen wohl rasch Hunderttausende bezahlbare neue Wohneinheiten auf den Mietmarkt.

Das wäre sozial. Das wäre ökologisch. Und ausnahmsweise pragmatisch.

Armut kotzt an

17. Juni 2020
von Philipp Scheffbuch
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Die Waldbesitzer in Deutschland sind bedürftige Menschen. Das hat auch die Bundesregierung registriert und steckt den Forstbesitzern nun im Rahmen des jüngsten Konjunkturpaketes 700 Millionen Euro zu. Das ist zweifelsfrei eine sinnvolle Sache, denn die wirklich armen Menschen in Deutschland sind mehrheitlich Waldbesitzer. Bedauernswerterweise haben sich die Preise für Wälder in den vergangenen 15 Jahren nur verdoppelt. Bedürftige Kleinverdiener stecken auch deshalb seit Jahrzehnten alles in Wälder, weil es die beste Art ist, die lästige Erbschaftssteuer zu umgehen. Vererben die Mittellosen in diesem Land doch seit jeher die größten Vermögen.

Die meisten privaten Waldeigentümer sind selbstverständlich anonym, weil ihnen ihre Armut peinlich ist. Nur die zwei Größten sind namentlich bekannt: Die Familie Thurn und Taxis besitzt 20.000 Hektar Wald. Unwesentlich mehr besitzen die Kirchen in Deutschland: nämlich 150.000 Hektar. Gottseidank wird beiden geholfen.

Armedangels versus Hugo Boss

23. Januar 2020
von Philipp Scheffbuch
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Das Kölner Label Armedangels ist der größte öko-faire Bekleidungshersteller in Europa. Die meisten informierten Menschen kennen Armedangels, die meisten finden die Idee, faire ökologisch einwandfreie Klamotten herzustellen, gut und unterstützenswert. Armedangels hat es geschafft, den europaweiten Jahresumsatz auf 35 Millionen Euro zu schrauben – und das innerhalb von 13 Jahren. Mit Interviews und Geschichten wird dies in der Presse als Erfolg, als Trendumkehr gefeiert: der Armedangels-Chef findet öffentlich gerade mehr Beachtung als der Hugo Boss-Chef.

Dabei hat der konventionelle Modekonzern Hugo Boss in den vergangenen 13 Jahren seinen Umsatz ebenfalls gesteigert: und zwar um 1400 (eintausendvierhundert) Millionen Euro. Hugo Boss setzt jetzt 2,88 Milliarden Euro jährlich um.

Wir müssen also etwas Wasser in den Wein schütten: es gibt bisher keine Trendumkehr. Der Umsatz des wichtigsten Fairfashion-Anbieters Armedangels beträgt trotz zahlreicher Sympathiebekundungen gerade einmal 1,2 Prozent (einskommazwei!) Prozent von Hugo Boss. Allein seit der Gründung von Armedangels ist Hugo Boss in absoluten Zahlen vierzigmal so stark gewachsen wie das Kölner Öko-Label.

In die Hände gespuckt: es ist noch viel zu tun.

 

Justiz kümmert sich um Daimler

01. August 2019
von Philipp Scheffbuch
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Endlich geht es los: Die Justiz kümmert sich um den ehemaligen Daimler-Chef Dieter Zetsche. Der Drahtzieher des württembergischen Diesel-Skandals erwartet einen Richterspruch.

Kurioserweise ist es aber nicht die Staatsanwaltschaft, die den langjährigen Daimler-Chef vor das Stuttgarter Landgericht zerrt. Sondern Zetsche selbst fordert einen Richterspruch. Weil er sich betrogen fühlt. Und zwar nicht von seinem Autohersteller, der ihm einen Wagen mit falschen Emissionswerten verkauft hat, sondern Zetsche fühlt sich von seiner Hausbank über den Tisch gezogen. 100 000 Euro hat der Automanager laut eines Berichts der „Stuttgarter Zeitung“ vor zehn Jahren in einen Immobilienfonds investiert, den ihm ein Berater der BW-Bank vermittelte. Später geriet der Fonds in den Strudel eines Anlageskandals und steckt heute tief in der Verlustzone. Nun will der Ex-Daimler-Chef sein Geld von dem zur Landesbank Baden-Württemberg gehörenden Institut zurückholen. Verständlich: schließlich – so vermuten Insider – geht es um rund ein Promille seines Vermögens.

Es ist beruhigend zu wissen, dass der 66-Jährige ein gesundes Rechtsempfinden hat.

Zumindest gelegentlich.

Kein Gift im Schritt

01. März 2019
von Philipp Scheffbuch
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Direkt auf der Haut tragen die meisten Menschen eine toxische Zeitbombe. Rund ein Drittel aller Chemikalien weltweit landet in der Kleidung – die Meisten der Chemikalien waren allerdings nie für den direkten Kontakt mit der menschlichen Haut vorgesehen gewesen. Greenpeace entnahm vor einiger Zeit Proben aus den Abwässern chinesischer Textilfabriken und wies einen Giftcocktail nach, der zum Teil über die Flüsse in die Nahrungskette und ins Trinkwasser gelangt. Modemarken missbrauchen weltweit Flüsse als private Abwasserkanäle und verschmutzen so das Trinkwasser von Millionen Menschen. Ein interessanter Aspekt unsere globalisierten Wirtschaftsordnung: wir erlassen zwar Umweltgesetze für Deutschland und die EU, lagern gleichzeitig die Produktion der Textilien aus und scheren uns nicht darum, wie die Auftragnehmer in Fernost produzieren und mit ihrer Umwelt umgehen. Wenn deren Wasser dann nicht mehr zu trinken ist, und neue Flüchtlingsströme einsetzen, schauen wir überrascht. Vielen ist die Dimension nicht bewusst: sollten sich irgendwann nur zehn Prozent der Inder (mit gutem Grund)  aufgrund vergifteter Flüsse auf den Weg nach Europa machen, wären das 130 Millionen Menschen. Heute will das kaum einer wissen.

Gerade bei der Herstellung von Jeans geschehen die größten Sünden für Mensch und Umwelt. Umso erstaunlicher, wie gleichgültig der Mehrheit der ModekäuferInnen die Herstellungsmethoden zu sein scheinen. schlechtmensch hat von Beginn an auf ein klares Kriterium gesetzt: Wir verkaufen nur  GOTS-zertifizierte Kleidung, so auch Hosen. Deshalb verzichten wir unter anderem sogar auch auf namhafte Green-Fashion-Marken wie Nudie; weil uns nicht einleuchtet, warum sich Nudie und auch manch andere „grüne“ Marke nicht extern begutachten lässt.

Neben Feuervogl-Jeans überzeugt uns das GOTS-Programm von Armedangels. Deren Denims werden aus Bio-Baumwolle in der Türkei und Tunesien gefertigt, ohne schädliche Chemie und 100 Prozent vegan, unter Einhaltung der Sozialkriterien und fairer Entlohnung. Bei allen Styles wird auf Lederpatches verzichtet, stattdessen ein Label aus Papier verwendet. In allen Fertigungsstufen wird der Einsatz von Wasser und Energie minimiert. Durch einen geschlossenen Wasserkreislauf und mit Einsatz höherwertiger Technik wird der Einsatz von Chemie minimiert.  Auch Knöpfe, Nieten und Reißverschlüsse sind per GOTS-Bestimmungen auf schädliche Rückstände geprüft. Alle Produktionsstätten sind extern begutachtet und haben ein GOTS-Siegel erhalten.

Trotz all dieser Kriterien können die haut-und umweltfreundlichen Jeans preislich mit der konventionellen Mode mithalten: Armedangels-Jeans für Frauen und Männer gibt es ab 89,90 Euro.

Frauen: Hier klicken   Männer: Hier klicken

Alles gut

27. September 2018
von Philipp Scheffbuch
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Die Kirche missbraucht Kinder. Die Autoindustrie verkauft Autos, die nicht halten, was sie versprechen. Die Gottesmänner bieten als Entschädigung 5000 Euro an. Die Autoindustrie lobt Gutscheine aus. Die Kirche fände Gutscheine sicher auch gut, ist aber nicht auf die Idee gekommen; sie gibt sich reumütig. Genauso die Autoindustrie. Alleine VW hat nach eigenen Angaben 11,8 Millionen mal betrogen. In den deutschen Diözesen wurden nach deren Angaben 3677 Kinder missbraucht – seit 1946. Die ersten 1946 Jahre seit Christi Geburt wurden nicht untersucht. Viele Täter sind tot. Zumindest bei der Kirche. Die Opfer leben. Genauso der ehemalige VW-Chef. Von sich aus wollte er nicht zurücktreten. Auch die deutschen Bischöfe leben. Und bleiben alle im Amt.

 

Dumm verkauft

26. Juni 2018
von Philipp Scheffbuch
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Die einen nennen es lustig, die anderen dreist: Das Land Niedersachsen feiert jetzt – mitten im Hochsommer – Weihnachten. Die Hannoveraner Landesregierung verkündet stolz, das gegen VW verhängte Milliarden-Bußgeld vor allem in den Ausbau des schnellen Internets und in Unikliniken stecken zu wollen. Weitere Mittel aus der Milliarde sollen in den Schuldenabbau, die Sanierung von Sportstätten und einen Umweltfonds zur Luftreinhaltung fließen. Das alles posaunt Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in die Welt hinaus.

Zur Erinnerung: Das Land Niedersachsen ist Großaktionär bei VW und hält 20 Prozent der Stimmrechte und ist als Eigentümer zweifelsohne mitverantwortlich für die Dieselschummelei.  In Hannover geht der Landeschef aber ungern in Sack und Asche. Stattdessen steckt er die selbst verursachte Strafe in die eigene Landes-Tasche und verkauft sie zeitgleich als Wohltat ans Wahlvolk. Unbeantwortet bleibt hingegen, warum die dortige Landesregierung die Dieselschummellei – in seiner Kontrollfunktion im Aufsichtsrat – nicht mitbekommen haben will. Dass der künftige Gewinn und damit die Dividende ans Land Niedersachsen durch die Strafe sinken wird, will heute auch niemand wissen. Schließlich sind alle Kerzen angezündet: heute ist Bescherung.

Ein Komiker als Regierungspräsident

20. Dezember 2017
von Philipp Scheffbuch
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Von wegen Carl Benz: Wahrscheinlich waren es die Grünen, die das Auto erfunden haben. Und jetzt herrscht unter ihnen große Angst vor, ihre stolze Erfindung könnte aussterben. Der Stuttgarter Regierungspräsident Wolfgang Reimer hat sich sein Amt dank seiner überdurchschnittlichen Fähigkeiten hart erarbeitet. Dass er ein Grünes Parteibuch hat, wird Zufall gewesen sein. Kostproben seiner extraordinären Begabung hat er Anfang dieser Woche vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gegeben. Den Antrag der Kläger, dass das Land bei Überschreitung der Grenzwerte gemäß Zusage verpflichtet sei, Maßnahmen zur Minderung des Autoverkehrs zu treffen, hat er zurückgewiesen. Um zu beweisen, dass er die Problemlage in ganzer Tiefe erfasst hat, schlug er vor, in den Häusern der beiden betroffenen Kläger beim Neckartor technische Einbauten vorzunehmen, um dort vergleichsweise saubere Luft zuzuführen.

Der Mann hat Recht: Das Waldsterben früher kam auch nicht von den Autos. Schließlich waren Waldwege schon immer für Autos gesperrt.

Kirche auf dem Strich

06. Dezember 2017
von Philipp Scheffbuch
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Die Evangelische Landeskirche Württemberg kann vor Kraft kaum laufen: Schlappe 1.100 Millionen (also 1,1 Milliarden) Euro Geldvermögen liegen auf ihrer hohen Kante, dazu kommt nochmals die selbe Summe an Sachanlagen. Da es sich bei Letzterem überwiegend um Immobilien handelt, dürfte das wahre Ausmaß an Vermögen sogar um mindestens 50 Prozent höher sein; denn wie jeder vorsichtige Kaufmann rechnet sich die hiesige Religionsgemeinschaft nach dem Niederstwertprinzip arm: Die jüngsten Wertsteigerung auf dem Immobilienmarkt sind in den Büchern der Kirche (für ihren Mietshäusern und Grundstücke) nicht ansatzweise abgebildet.

Die Evangelische Landeskirche ist also ein draller Milliardär, wäre aber natürlich nicht württembergisch, wenn sie sich nicht ärmer machen würde als sie ist. Dagobert Duck passt schließlich nicht so gut ins Neue Testament. Wurde Jesus dem Vernehmen nach doch häufig mit armen Menschen gesehen. Aber bei den Bettlern und Armen gibt es selten Delikatessen zu essen, sie richten auch nicht zu häufig coole Events aus. Insofern hat die Stuttgarter Johanneskirchen-Gemeinde jetzt einen gewieften Königsweg gefunden, um sich selbst (wegen Renovierungskosten) bedürftig darzustellen und dennoch das Licht der Schönen und Vermögenden genießen zu können: Gedanklich auf dem Rücken liegend hat die Gemeinde ihr Gotteshaus temporär für Luxusdinner und sonstige Parties an eine Eventagentur vermietet.

„Durch ein Kerzenmeer illuminiert, mit Pflanzen geschmückt, die Orgel auf der Empore samt deren Pfeifen in rotes Licht getaucht. Durch die Überlassung des Kirchenraums will die finanziell gebeutelte Gemeinde eine 33.000 Euro teure Mikrofonanlage finanzieren“, schreiben die „Stuttgarter Nachrichten“. Die Eventagentur wirbt auf ihrer Homepage: „Es entsteht unser Heavenseveneleven – eine einzigartige Pop-Up-Location, in der sich Menschen und Sinne begegnen. Gemeinsam mit unserem Catering-Partner haben wir einen Traum im Raum geschaffen, wo Erlebnis auf Kirche und Fine-Dining auf faszinierendes Ambiente trifft.“

33.000 Euro. Nicht für eine Nacht. Für viele Nächte. Die Kirche hat sich schon besser verkauft.

 

 

schlechtmensch? was soll das?

27. Oktober 2017
von Philipp Scheffbuch
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Warum heißen wir schlechtmensch? Es ist ganz einfach, die Guten sind ja schon die anderen.

Zum Beispiel die großen Lebensmitteldiscounter: „Bei Aldi Süd steht der Mensch im Mittelpunkt“, heißt es auf deren Homepage. Konkurrent Lidl posaunt hinterher: „Was uns diesen Weg erfolgreich beschreiten lässt, ist unser gemeinsames Verständnis davon, wie wir arbeiten möchten: mit Fairness, Mut, Veränderungsbereitschaft und einem hohen Maß an Empathie.“ Und auch der Fast-Fashion-Extremist Primark schreibt ohne Schamesröte: „Wir teilen die übergeordneten Prinzipien der Gruppe in Bezug auf Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Geschäftsgebaren und die Beziehung zu Zulieferern und anderen Beteiligten.“

Wir mögen ja Humor, aber das ist etwas viel.

Wenn sich inzwischen wirklich jeder „gut“ nennt, nennen wir uns lieber „schlecht“. Weil wir wirklich anders sind.