schlechtmensch? was soll das?

27. Oktober 2017
von Philipp Scheffbuch
in
einbahn (3)

Warum heißen wir schlechtmensch? Es ist ganz einfach, die Guten sind ja schon die anderen.

Zum Beispiel die großen Lebensmitteldiscounter: „Bei Aldi Süd steht der Mensch im Mittelpunkt“, heißt es auf deren Homepage. Konkurrent Lidl posaunt hinterher: „Was uns diesen Weg erfolgreich beschreiten lässt, ist unser gemeinsames Verständnis davon, wie wir arbeiten möchten: mit Fairness, Mut, Veränderungsbereitschaft und einem hohen Maß an Empathie.“ Und auch der Fast-Fashion-Extremist Primark schreibt ohne Schamesröte: „Wir teilen die übergeordneten Prinzipien der Gruppe in Bezug auf Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Geschäftsgebaren und die Beziehung zu Zulieferern und anderen Beteiligten.“

Wir mögen ja Humor, aber das ist etwas viel.

Wenn sich inzwischen wirklich jeder „gut“ nennt, nennen wir uns lieber „schlecht“. Weil wir wirklich anders sind.

Kirchen als Sparfüchse

06. Oktober 2016
von Philipp Scheffbuch
in
kennzahlen_bilanz_ergebnisrechnung

„Darum sage ich euch: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr denn Speise? und der Leib mehr denn die Kleidung? Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie?“ Soweit Jesus Christus, überliefert zumindest nach Matthäus 6.

Heute hat das Erzbistum Köln den jährlichen Finanzbericht veröffentlicht. Demnach hortet alleine das Kölner Bistum 2500 Millionen Euro in Wertpapieranlagen. Die Immobilienanlagen werden zusätzlich vorsichtig gerechnet auf 600 Millionen Euro ausgewiesen, dazu kommen Sachanlagen und Umlaufvermögen. Das Bistumskapital, die Rücklagen und die Rückstellungen zusammen – also im Prinzip der der bezifferte Angstfaktor vor der Zukunft – beläuft sich auf 3,2 Milliarden Euro, also sagenhafte 3200 Millionen Euro! Die Münchener und die Paderborner Bistümer sind noch reicher als die Kölner, beziehungsweise – in den Worten Jesu – noch sorgenvoller.

Auch die Protestanten leben alles andere als sorglos in den Tag hinein. Alleine die Evangelische Landeskirche in Württemberg könnte von heute auf morgen 3000 Millionen Euro lockermachen, so viel Geldvermögen besitzt die Landeskirche. Zusätzlich gibt es laut deren Bilanz ein beträchtliches realisierbares Immobilienvermögen. Betrachtet man die Passivseite der Bilanz wird der Reichtum klar: Eigenkapital und die aus Sorge gebildeten Rückstellungen zusammen erreichen 3,8 Milliarden Euro, also sogar mehr als im Bistum Köln. Dringende Verwendung scheint die württembergische Landeskirche momentan nicht für ihr Vermögen zu haben, so wurden mehr als 1100 Millionen Euro in längerfristigen Finanzanlagen geparkt.

Die Kirchen beider Konfessionen argumentieren gerne mit der Vorsorge für schlechtere Zeiten oder noch präziser mit der Notwendigkeit, für die eigenen Bediensteten Pensionsrückstellungen bilden zu müssen. Dabei gibt es nicht wenige Menschen im In- und Ausland, die heute in existenzieller Not sind. An diesen Personenkreis wird in beiden Kirchen nicht selten erinnert, besonders nachdrücklich, wenn es um Opfergaben im Gottesdienst geht.

Zum Vergleich: herkömmliche Wirtschaftsunternehmen stecken ihre Mittel normalerweise in ihr Kerngeschäft und haben nur wenige Mittel übrig, um Finanzanlagen anzuhäufen – es sei denn es handelt sich um deren Kerngeschäft, also um Hedgefonds oder Investmentfirmen.

„Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch.“ Die Leichtigkeit der zitierten Vögel ist bei den Kirchen nicht wirklich zu spüren. Ganz im Gegenteil. Es wäre spannend zu erfahren: woher kommt die ganze Angst?

GOTS oder gar nicht

21. April 2016
von Philipp Scheffbuch
in
FEuervoglGOTS jeans

Ganz oder gar nicht: in unserem Stuttgarter Laden gibt es nicht nur blaue und schwarze, sondern jetzt auch graue Jeans – (wie immer bei uns) komplett GOTS-zertifiziert. Graue Jeans…dabei mögen wir Graubereiche nicht. In der Green Fashion gibt es aus unserer Sicht zu viele Graubereiche und auch manche gräuliche Fragezeichen. Das betrifft leider auch Jeans. Wir verstehen die Mehrheit der Greenfashion-Jeans-Hersteller nicht, die es nicht hinbekommen (will), sich zertifizieren zu lassen. Ausreden hierfür gibt es genug: So behaupten einige bekannte Greenfashion-Jeansmarken, eine zertifizierte Jeans sei ihnen wegen des Lederlabels nicht möglich. Denn damit könne man kein Zertifikat bekommen. Aus unserer Sicht eine wirklich fabelhafte Geschichte, besteht heute doch längst kein Kunde mehr auf einem Lederlabel, durch das er seinen Gürtel ziehen kann… Das war zuletzt in den Achtziger Jahren ein Statussymbol.
Es gibt bei den Anbietern aber auch positive Ausnahmen: Armed Angels hat es in diesem Frühjahr wenigstens einmal hinbekommen, Jeans mit GOTS (Global Organic Textile Standard)-Zertifikat anzubieten. Wir haben die schönen Hosen hier. Leider sind sie Mangelware, künftig wird es das coole Kölner Label aus „produktionstechnischen Gründen“ nicht mehr schaffen, zertifizierte Jeans anzubieten. Wir werden ab Herbst dann auch keine Armed Angels-Jeans mehr führen.
Wir haben dennoch entsprechende Hosen, und zwar von Sey und Feuervogl; beide Labels sind umfassend GOTS-zertifiziert – und nicht als Mogelpackung wie bei einigen anderen Anbietern nur die Baumwolle. Feuervogl-Jeans in schönen Farben und Schnitten und Styles gibt es bei uns ab 89 Euro. In wenigen Tagen werden wir auch Männer-Jeans von Feuervogl anbieten. Wir freuen uns darauf.

Das GOTS-Zertifikat, Erklärung, hier klicken

Armed Angels in Stuttgart

29. Februar 2016
von Philipp Scheffbuch
in
100 Prozent faire Mode, Bekleidung, Neckartor, Event, Mode, Marke

schlechtmensch führt Armed Angels für Männer und Frauen, sowohl online und auch hier im Laden in Stuttgart-Mitte. Das Greenfashion- Label, gegründet in Köln, wird bei jungen Menschen immer beliebter. Das ist eine gute und erfreuliche Entwicklung und nimmt vielen Modebewussten die Scheu, sich in faire Läden wie unseren hier in Stuttgart zu begeben. Wir führen jedoch nicht alle Armed Angels-Artikel.  Voraussetzung, dass wir Armed Angels verkaufen, ist für uns das GOTS (Global Organic Textile Standard)-Label. Weil Armed Angels das aus verschiedenen Gründen (Kapazitäten und Rohstoffe) nicht überall hinbekommt, sortieren wir bei unserer Bestellung Armed Angels Artikel, die nicht zertifiziert sind, streng aus. Denn das Konzept von schlechtmensch basiert auf externen Nachweisen. Wir machen da keine Kompromisse, nicht weil wir Oberlehrer sein wollen, sondern weil wir die Kundschaft nicht allein lassen wollt mit dem Slogan „Wir kennen doch unsere Lieferanten“. Bei uns besitzt jedenfalls alles immer Nachweise. Damit ist klar: Unsere Mode ist organic, Bio und  (ganz wichtig!) fair hergestellt. Wir sind letztlich ein modischer Weltladen für Klamotten und arbeiten auch misind auch im ständigen Austausch mit Weltläden in der Region, die oft  aus Kapazitätsgründen nur wenig Mode anbieten.

Jetzt aber nochmal zu Armed Angels, für alle T-Shirt-Liebhaber: Armed Angels führt künftig kein Signet mehr im Nacken. Die Kölner Verantwortlichen sagen, das habe viele Kunden gestört. Ich persönlich habe andere Rückmeldungen erhalten, aber egal. Wer jetzt noch hier im Laden am Neckartor vorbeikommt, besitzt die ganze Auswahl und findet noch viele T-Shirts, auch mit bewaffnetem Engel auf Nackenhöhe. Unser Laden ist leicht zu finden: direkt am U-Bahn-Halt Neckartor, wir haben aber auch kostenfreie Kundenparkplätze im Hof.

Gutmensch wird Unwort

12. Januar 2016
von Philipp Scheffbuch
in
_MG_5202

Das Unwort des Jahres 2015 (wobei zu untersuchen wäre, wann endlich „Unwort“ zum Unwort wird)  lautet „Gutmensch“. Damit seien diejenigen beschimpft worden, „die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder die sich gegen Angriffe auf Flüchtlingsheime stellen“, so die Jury in ihrer Begründung. Mit dem Vorwurf des „Gutmenschentums“ würden „Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert.

Bleibt eine Frage an die Jury: Ist denn Schlechtmensch im Umkehrschluss jetzt das Wort des Jahres? Wir sind dafür.

Dass wir schlechtmensch heißen, hat seinen Grund, auch, wenn wir keine sprachwissenschaftliche Jury sind: Wir haben die Schnauze voll von Kategorien. Wir sind gut und handeln wie alle in der Wirtschaft: VW nennt sein neues Rentner-Auto „Sport“, Ludwigshafen seine Müllverbrennungsanlage „MVV Umwelt“. Wir sind also in bester Gesellschaft.

Alle sind fröhlich….

12. November 2015
von Philipp Scheffbuch
in
Verkehrsinsel2

Es gibt keine guten und keine schlechten Orte. Schön ist es überall, wo sich Menschen versammeln. Auch, wenn es leicht pastoral klingt, das ist keine Erkenntnis aus der Bergpredigt, sondern eine Erkenntnis, die ich ganz alleine, aber in gewohnt prätentiöser Art, verfasst habe.

Es gibt nicht nur spannende bisher kaum entdeckte Inseln in der Südsee, sondern auch in mancher niedlichen Großstadt…

 

Hingehen, wo es wehtut

03. November 2015
von Philipp Scheffbuch
in
schlechtmensch3

Es ist geschafft.

Wir sind endlich da, wo wir hinwollten.

Mitten im Leben.

Nicht in einer hübsche Seitenstraße, nicht in einer Wohlfühlecke, da sind schon alle anderen…

Wir möchten keinen Rückzug, kein Milieu bedienen, keine Blümchen pflücken; wir hüpfen mit nachweislich fair hergestellten Klamotten ins Leben, ins echte Leben.

Uns kann niemand übersehen. An unserem Laden am Rande der Stuttgarter Innenstadt tuckern täglich 90.000 Autos vorbei.

Direkt vor uns ist der Eingang der unterirdischen U-Bahn-Station, an der alle 60 Sekunden eine Stadtbahn anhält. Hier kämpfen sich Hunderte Menschen morgens zum Beton-Eingang und schleppen sich abends erschöpft nach Hause.

Morgens und abends dreht sich an der Straßenkreuzung kein Rad mehr, es staut sich in alle Richtungen, wild wird gehupt, die Gesichter der Chauffeure sind versteinert, die Blicke leer, alle ringen angestrengt um Fassung.

mehr lesen